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30. Mai 2014 / Frühjahrskurs 2014

Sie liegen nebeneinander, die Badetücher sind reichlich weit voneinander entfernt. Zwei Mädchen, Anfang zwanzig, beide brünette. Auf dem dunkelblauen Bikini einer der beiden verteilen sich viele weiße Anker. Nicht sehr große, aber ordentlich angeordnete, weiße Anker. Die schier unerträgliche Langeweile des Musters lässt mich abschweifen.

„Er ist mit seinem Fickschlitten unterwegs, oder?“

„Keine Ahnung, zur Begrüßung ham se sich nur umarmt, kein Zungetango oder so wat.“

„Naja, er meinte ja zu mir, dass sie gevögelt haben. Also angeblich.“

„Weiß nicht, sah jetzt nicht so hot aus, die Umarmung.“

„hoffentlich kommen die nicht her, der ist immer so derbe anstrengend, wenn seine Ischen dabei sind...“ rauschen zwei süße Mädchenstimmen an mir vorbei. Es riecht nach Pommes und Kokosnuss.

Das zweite Mädchen nimmt die Sonnenbrille ab, sieht an ihrem neonpinken Minibikini herunter und setzt die Brille wieder auf.

„Schade, ich dachte eben, ich bin schon voll braun geworden, dabei ist es nur meine Brille.“

Sie nimmt die Brille noch einmal ab, während die andere zum Sonnenöl greift. Das Mädchen mit den Ankern sagt: „Als ich jung war, fand ich braun sein echt scheiße. Blass war schön. So ne edle Blässe wollte ich haben und bin nicht in die Sonne gegangen. Da war ich ungefähr zwölf.“ Ich denke mir, man hat die einen Schatten und als ihre Freundin erwidert: „Oh, wie süß!“ stehe ich auf um vom Dreier zu köppen und meine Teenagerstudien sein zu lassen. Beim Kaltwasserbecken, das Liege- und Schwimmbereich voneinander trennt, schaue ich auf meine Füße und merke, dass meine Bikinihose verrutscht ist und dem Kerl, der mich vorhin die ganze Zeit angeglotzt hat, nun die Gelegenheit gegeben hätte die Farbe meiner Schamhaare kennen zu lernen. Ich sehe ihn nicht, wahrscheinlich tänzelt er vor anderen Frauen oder Mädchengruppen herum um seine viel zu trainierten Beine zu präsentieren, die grotesk in einer Badehose stecken, die aussieht als hätte er sie seinem Sohn geklaut.

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27. Mai 2014 / Frühjahrskurs 2014

Marla kam aufgeregt in den Raum gestürmt und rief: „Caro, ich habe gerade die allerallerschönste Wohnung in ganz Berlin gefunden! Wir müssen auf jeden Fall morgen zu der Besichtigung und einfach umwerfend sein!“
Caro, die sich in ihrer durchaus wichtigen Tätigkeit - auf der Fensterbank sitzen und rauchen - unterbrochen sah, blies erst ein wenig Rauch aus dem Fenster, bevor sie antwortete: „Ja, du...super.“

„Lass uns schon mal gucken, was wir anziehen und wir brauchen dringend eine gute Geschichte, was wir Tolles arbeiten und was wir ehrenamtlich helfen – Behinderte oder so!“
Caro lachte nicht. „Später, in Ordnung? Ich bin gerade...“ „Was, wieso später? Sag mal, freust du dich eigentlich nicht? Du sitzt da, als hätte dir jemand Kuttelsuppe zu Mittag angeboten.“
Caro lachte immer noch nicht. „Entschuldige, ich bin gerade einfach – ich kann gerade nicht vollkommen ausrasten. Klar freue ich mich. Aber denk dran, es ist nicht mal klar, wann wir was bekommen und so.“
„Man Caro. Wir versuchens halt. Guck dir gleich mal die Bilder an. Die ist so weitläufig und hell und – vielleicht schlafen wir dann doch wieder in einem Zimmer. Ich flippe aus! Ich muss das schnell Sarah und Janosch erzählen“, sagte Marla und war schon fast aus dem Raum, als Caro sie zurückrief: „Warte mal. Marla, warte mal. Warte mal mit allem jetzt. Was redest du da von weiter in einem Zimmer schlafen? Wofür ziehen wir denn eigentlich um?“
„Um mehr Platz zu haben und...“ antwortete Marla, doch Caro unterbrach sofort und hatte Schwierigkeiten, die Lautstärke ihrer Stimme zu kontrollieren: „Wir haben beschlossen umzuziehen, damit jede von uns ihr eigenes Zimmer hat! Und das weißt du sehr genau!“
„Aber das ist nur, weil es hier zu eng ist! Wir haben doch immer gesagt, dass wir Berlin zusammen machen und wir das alles zusammen durchziehen und auch zusammen in einem Zimmer schlafen! Du willst das doch am meisten!“
„Warte Marla. Nein, ich meine, ich kann das nicht. Du hast Recht, ich freue mich nicht. Ich freue mich über gar nichts mehr. Ich will das nicht am meisten, vielleicht wollte ich das noch nie am meisten. Jetzt jedenfalls nicht mehr...“ „Hä, was? Ich meine, was zur Hölle redest du da gerade?“ sagte Marla und ging einen Schritt auf Caro zu, „wir haben gestern noch zusammen Wohnungen angeguckt!“
„Ich weiß ja! Wir sind hier schon echt lange, aber ich könnte kotzen. Noch nie in meinem Leben hat mich alles so dermaßen angekotzt. Ich meine, ich bin krank, merkst du das nicht? Sarah glotzt den ganzen Tag nur auf diesen Bildschirm und ich krieg Angst! Du beschwerst dich über die Sachen, die im Bad rumliegen, und was dich scheinbar nicht stört ist, dass ich jeden Tag euren Dreck in der Küche wegräume, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich will nicht, dass ihr mir dafür dankt! Ich kann das machen, es ist kein Problem für mich! Aber bitte tut doch nicht so, als wärt ihr die einzigen Menschen in der Wohnung! Wir sind vier Menschen, ja? Vier verschiedene Individuen und ich will, dass wir das auch merken! Aber wir merken nichts mehr, wir leben hier so rum und ich weiß nicht mal, was Janosch gerade so für Pläne hat. Ich weiß nicht, was Sarah vorhat diesen Sommer und ich glaube, es ist mir auch egal. Wir dachten doch, wir haben uns, aber jetzt hab ich das Gefühl, dass jeder Fremde in der S-Bahn mir näher ist, als irgendwer von euch. Und wir wollen das alle nicht einsehen und wahrscheinlich fängst du jetzt an zu heulen. Aber Marla, ich weiß ja. Als du eben reinkamst, war ich wieder kurz davor, es dir zu sagen. Ich will das schon seit ein paar Wochen sagen, aber ihr macht mir so eine Angst mit euren harmonietriefenden Plänen. Die Harmonie ist aber weg! Sie ist nicht da! Ich will sie auch, aber ich kann nicht so tun als ob!“

Caro hatte Marla nicht angesehen, während sie das sagte und als sie doch hinsah, klar, da weinte Marla. Man sah ihr an, dass sie noch mit den Tränen kämpfte und so klang es seltsam und brüchig, als sie aufstand und im Gehen sagte: „Ich geh nach draußen.“

Sie ließ Caro zurück, die sich rückwärts auf die Matratze unterm Fenster fallen ließ.
„Scheiße.“
Sie sagte das laut und fing an, sich eine Zigarette zu drehen. Als sie schon fast fertig war, konnte sie nicht mehr und knüllte alles in ihrer Hand zusammen. Sie rückte näher ans Fenster, öffnete ihre Faust und überließ die Krümel dem Wind, der sie an den Hochhäusern des Alexanderplatzes vorbei trug und sie in alle Richtungen zerstreute. So viel Zerstreuung würde ich auch gerne mal finden, dachte Caro.
In dieser Stadt sind doch eigentlich alle so zerstreut, dass sie nicht mal mehr wissen, wo ihre Körper schon überall rumgelegen haben.

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24. Mai 2014 / Frühjahrskurs 2014

Es macht keinen Sinn auszurasten, zu fluchen, etwas durch die Gegend zu schmeißen und mich jammernd aufs Sofa zu setzen. Nur deswegen, weil ich alleine bin. Kein Zuschauer oder Beobachter, jemanden den ich hineinziehen kann in meine Misere. Wie schade, um meinen Text. Mein Dialogtext, der erste, den ich geschrieben habe....weg. Einen anderen Text habe ich daüber gespeichert, den Mülltext. Ich will gerade am liebsten alles andere tun als Schreiben. Der Verlustschmerz sitzt noch drückend auf meinen Worten. Aber die Sonne reizt mich nicht, kein Film, ah..kein Buch....ich will ersetzen was ich mir genommen habe. Ein neuer Text. Auch wenn ich den ersten ersetzte, wäre er neu. An ein paar Zeilen erinnere ich mich.

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23. Mai 2014 / Frühjahrskurs 2014

Wir sitzen im Kreis und füllen den Raum bis zur Decke mit unseren Hoffnungen.

Jedesmal zu Beginn der Sitzungen, sitzen wir erst etwas steif, nur um den Raum zu füllen mit unseren Leibern fangen wir an Stühle zu verrücken, Verbindungen auf zu bauen zu dem Platz auf dem wir sitzen. Langsam heben sich die Blicke. Mit dem Nachbarn fällt es leichter ein Gespräch zu führen. Den weißen Raum über der Tischplatte, der unüberwindbar wirkt, wenn wir versuchen unseren Hunger mit den Smarties zu stillen, die unerreichbar bleiben, füllen wir nur langsam mit unseren Stimmen. Das Physische, der Ton, die großen Erwartungen.
So war es am Anfang.

Wir werden vertrauter. Untereinander, aber auch mit uns. Mit unseren Stimmen und den Stimmen unserer Wörter. Mit zunehmender Verbundenheit wird die Anzahl der gruppenbildenden Snacks weniger. Ich bin glücklich und freue mich über die Begegnungen die durch euch entstehen, durch Deine Geschichten, fremde Worte, gesponnene Figuren und gelebte Situationen. Menschen mit denen ich nicht weniger teile als diesen raum voller Hoffnung.