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"Wir sehen uns dann nächste Woche!", rief der Brotverkäufer ihm noch hinterher.
'Ja, ja. Wunderbar', dachte er, als er dem roten Mantel hinterher sah. Ein wenig tat ihm der Brotverkäufer ja auch leid, er war schließlich ein netter Mensch und verdiente es eigentlich nicht, so behandelt zu werden. Aber Rongo, wie er von den meisten nur genannt wurde, konnte die gute Laune der Menschen im Dezember nicht ab. Auch wenn die Welt nur grau, nass und kalt war, er hatte das Gefühl von Weihnachten. Und dieses Gefühl mochte er gar nicht.
Menschen, die sich an Lichtern erfreuen, am "Fest der Liebe", an der Vorweihnachtszeit. Kinder, die lachend über Weihnachtsmärkte laufen und ihren Eltern dieses und jenes zeigen. Ein Kinderkarussell mit Pferden und Kamelen und anderen weihnachtlichen und nicht weihnachtlichen Tieren. Gebrannte Mandeln und Glühwein. Holzspielzeug. Gewürze. Wolle. Mützen. Schals. Ledertaschen. Stempel. Schmuck. Wo er auch hinsah, überall waren diese Dinge. Und er mittendrin.
Er musste nur noch eine kleine Sache besorgen, dann konnte er endlich nach Hause, weg von all diesen Menschen hier, nach Hause in seine eigene schöne Ruhe, sich in seine rote Lieblingsdecke kuscheln. 

Ruhig liegt er da. Sein Körper bewegt sich kein Stück, bis auf seinen Brustkorb der sich, dank der vielen Schläuche und Geräte in und um seinen Körper, noch einige Zeit auf und ab bewegen durfte. Nur seine Augen sehen mich noch an, wie früher. Seine Augen voller Hoffnung, die unsichtbare Tränen vergießen. Er sieht mich an, als könne er durch mich durch sehen, als sei ich die Luft, die er bald nicht mehr atmen könnte.

...weiterlesen "»Siebzehn« von Anne Benkowitz"

Bis vor ein paar Sekunden hatte ich noch geglaubt, es wäre ein völlig normaler Tag.
Ein Tag wie jeder andere, geprägt von Verzweiflung, alleine sein, und dem immer dringender werdenden Bedürfnis, zu reden.
Ganz egal, mit wem.
Wahrscheinlich hätte ich sogar meinem besten Kumpel Sven das Herz ausgeschüttet, und der hätte wie so oft gelacht, und gesagt, dass das alles irgendwann wieder vorbei gehen würde.

...weiterlesen "von Julia Groscurth"

»Spezielles Testobjekt SX108 in dem unteren Südostflügel, Spezialabteilung B3 ist zu Bewusstsein gekommen.«
Eine blecherne Stimme hallte durch einen Lautsprecher in den kahlen, heruntergekommenen Flur, welcher an zahlreichen leeren Zellen vorbeiführte. Irgendwo tropfte es aus einem undichten Rohr, es war zugig und der unterirdische Gang menschenleer.

...weiterlesen "»Unangenehme Begegnungen« von Flora Kühn"