"Wir sehen uns dann nächste Woche!", rief der Brotverkäufer ihm noch hinterher.
'Ja, ja. Wunderbar', dachte er, als er dem roten Mantel hinterher sah. Ein wenig tat ihm der Brotverkäufer ja auch leid, er war schließlich ein netter Mensch und verdiente es eigentlich nicht, so behandelt zu werden. Aber Rongo, wie er von den meisten nur genannt wurde, konnte die gute Laune der Menschen im Dezember nicht ab. Auch wenn die Welt nur grau, nass und kalt war, er hatte das Gefühl von Weihnachten. Und dieses Gefühl mochte er gar nicht.
Menschen, die sich an Lichtern erfreuen, am "Fest der Liebe", an der Vorweihnachtszeit. Kinder, die lachend über Weihnachtsmärkte laufen und ihren Eltern dieses und jenes zeigen. Ein Kinderkarussell mit Pferden und Kamelen und anderen weihnachtlichen und nicht weihnachtlichen Tieren. Gebrannte Mandeln und Glühwein. Holzspielzeug. Gewürze. Wolle. Mützen. Schals. Ledertaschen. Stempel. Schmuck. Wo er auch hinsah, überall waren diese Dinge. Und er mittendrin.
Er musste nur noch eine kleine Sache besorgen, dann konnte er endlich nach Hause, weg von all diesen Menschen hier, nach Hause in seine eigene schöne Ruhe, sich in seine rote Lieblingsdecke kuscheln.
Die Schiebetür ging auf, als er sich näherte, und ließ eine Welle kalte Luft in den Laden. Er sah sich im Geschäft um. Irgendein hässliches Geschenk. Irgendwas, was man sich irgendwo in die Ecke stellt und nie wieder braucht. Da! Ein schöner glitzernde Weihnachtsmann, kniehoch, mit roter Mütze. Den wollte er seinem Schwager schenken. Mit ihm auf dem Arm machte er sich auf den Weg zur Kasse. Fünf Nasen hatten vor ihm diese Idee gehabt.
Die kleinste dieser Nasen war direkt vor ihm. Ein kleiner Junge. Er trat nervös von einem Fuß auf den anderen, seine Kleidung war verschmutzt, die Hose hatte an den Knien Löcher, seine rote Jacke sah nicht wirklich warm aus. ‘Was der wohl kaufen möchte’, fragte er sich.
Das fand er bald raus. Denn als der Junge dran war, drehte er sich zum Kassierer, hielt einen Karton hoch und sagte mit seiner Kinderstimme: “Ich möchte gerne diese Schuhe kaufen, sie sind für meine Mama.”
Er begann, einzelne Münzen aus seiner Tasche zu holen, und zählte sie auf dem Fläche vor ihm ab. Rongo sah auf seine Uhr. Der Sekundenzeiger bewegte sich auffällig langsam. Und der Junge zählte noch immer.
“Mein Junge, das wird nicht genug sein”, sagte der Kassierer freundlich, ihn mitleidig ansehend. Hektisch durchsuchte der Junge seine Taschen nach noch mehr Münzen, musste jedoch schon nach wenigen Sekunden resigniert aufgeben. Bevor Rongo es mitbekam, hatte sich der Junge schon zu ihm umgedreht.
"Die sind für meine Mama. Sie ist schon ziemlich lange krank, Papa sagt, sie lebt nicht mehr lange. Ich weiß, dass die Schuhe sie zum Lächeln bringen, und ich möchte doch, dass sie schön aussieht, wenn sie heute Abend Jesus trifft. Das sagt Papa auch immer. Sie hat unser Weihnachten immer so schön gemacht, ich will es ihr heute schön machen. Irgendwie muss ich ihr die Schuhe kaufen!"
Und etwas daran, etwas an den Worten des Jungen hat etwas in Rongo geweckt. Sein von der Winterkälte gefrorenes Herz wurde aufgetaut, aufgewärmt, entsteinert. Er musste ihm einfach helfen. Also legte er das fehlende Geld auf den Tisch. Und er wusste, dass er niemals den Gesichtsausdruck des Jungen vergessen würde, als dieser sagte: "Mama wird so gut aussehen!"
Und er bedankte sich von ganzem Herzen, bevor er aus dem Laden lief, den Schuhkarton unter seinem Arm. In dem Augenblick wusste Rongo, dass der Junge ein Geschenk des Himmels war, ein Geschenk Gottes, um ihn daran zu erinnern, worum es bei Weihnachten geht.
So merkte er auch gar nicht, dass er mit Bezahlen dran war. Als sich der Kassierer räusperte, sah Rongo auf, brauchte einen Moment bis er verstand, worauf er hinauswollte, dann lächelte er ihn an und sagte: “Ich habe es mir anders überlegt.”, und ging an der Schlange vorbei wieder zurück ins Innere des Ladens. Er stellte den kitschigen, glitzernden Weihnachtsmann zurück, wo er ihn herhatte, sah sich weiter um und nahm schließlich ein schönes Buch aus dem Regal, das sein Schwager mal erwähnt hatte, und hoffte, dass es noch niemand anderes für ihn gekauft hatte.
Als er samt Buch wieder vor die Tür trat, merkte er, dass etwas anders war, auch wenn er nicht sofort wusste, was es war. Zuerst spürte er es im Nacken, dann nahmen es auch seine Augen wahr. Dicke Schneeflocken schneiten langsam und leise auf die Erde zu - und blieben liegen. Rongo musste lächeln.
Er machte sich auf den Weg Richtung zu Hause. Vor einer Stunde noch hätte er den schnellsten Weg genommen und wäre zügig gegangen. Doch nun schlenderte er durch die Stadt, nahm sogar absichtlich längere Wege. Und plötzlich lief er beinahe in den Brotverkäufer hinein.
“Möchten Sie ein- Oh, hallo Rongo!”, unterbrach er seinen Brotverkauf.
“Ja, gerne.”
“Ja, gerne- Was?”
“Ja, gerne, ein Brot.”
“Oh, ein Brot, natürlich.”
Mit einem Brot in der Hand ging Rongo weiter, doch drehte sich dann noch einmal um. “Hey, Carlo!”
Carlo, der Brotverkäufer, drehte sich ebenfalls um. “Ich freue mich auf nächste Woche!”, rief Rongo ihm zu und lachte. Ein großes Lächeln formte sich auf Carlos Gesicht. “Ja, bis dann!”
Zufrieden stampfte Rongo weiter durch den mittlerweile schon hohen Schnee. Er freute sich nun wirklich auf nächste Woche. Er hatte einem kleinen Jungen geholfen, relativ schöne Weihnachtsgeschenke für die nächste Woche besorgt, dem Brotverkäufer, einem guten Freund, ein Brot abgekauft und dadurch ein sehr gutes Gefühl bekommen.
Und zum ersten Mal seit langem freute er sich an dem Anblick der weihnachtlichen Stadt, die Kinder, die sich über den Schnee freuten, und überhaupt an Allem.