»Guckt auch bei den anderen vorbei«, beendete er eine neue Aufnahme und loggte sich danach auch aus dem Teamspeak aus. Grinsend lehnte er sich zurück. Seine Identität zu verheimlichen war eine gute Idee gewesen. So konnte keiner etwas ahnen, während sein Plan im Hintergrund immer weiter voranschritt. Nicht mehr lange… Nein, er würde sein Gesicht nie zeigen. Viel zu groß war die Wahrscheinlichkeit, dass es ihn verriet. Viel zu groß die Wahrscheinlichkeit, dass er in einer seiner aggressiven Phasen war, wenn ihn jemand auf der Straße erkannte. Sein Gesicht würde weiterhin ein Geheimnis sein.
Autor: Redakteur
»Maske (Seelen, Kapitel 1)« von Julieta Redecker
»Warum scheint ihr immer das Bedürfnis zu haben, euer Blut überall zu verteilen?« Ich schaue an mir herab. Vor dickflüssigem Rot triefend kleben meine Hosenbeine penetrant an meinen Waden und lassen in mir ein menschliches Unwohlsein aufsteigen. Weniger ungewohnt ist die tote Frau – nein, ihr toter Körper, der unrichtig vor mir liegt.
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»Kleiner Scheißer« von Tilman Immisch
»Max, wer zur Hölle ist das jetzt?«, blafft mein Vater aus der Küche.
»Woher soll ich das wissen?«, rufe ich durch die zwei Meter Flur, die uns trennen.
»Ja, dann mach auf, du Hohlkopf.«
»Hausaufgaben«, gebe ich als Antwort und schließe die Zimmertür mit dem Fuß.
Wieder Türklingeln. Diesmal länger.
Geschirr klirrt. Meine Mutter nörgelt in Richtung meines Vaters: »Ach, jetzt mach auf, Harald. Es gibt gleich Essen.«
Man hört es kurz schlurfen, dann ein Piepton.
»Wer is'n da?«, hör' ich dumpf.
»Die leichte Elite« von Anne Rupp
Magersucht ist keine Sucht, sondern eine Seuche, die nur in einer Welt aus Plastik und Parfum existieren kann. In einer Welt, in der die Oberfläche alles ist was zählt.
Einer Welt, in der niemand einen Sturm unter einem stillen Gewässer vermutet.
Überfallen von der Seuche werden nur Mädchen wie wir.
Die Fragen schwirrten in ihrem Kopf und sie schämte sich nicht, sie zu stellen.
Denn sie sprossen aus ihr heraus, als könnte der Frühling nicht abwarten, seine Kinder zu begrüßen. Blume um Blume wuchs aus ihrem Herzen, blühte, wenn sie eine Antwort erhielt und fügte sich an das Meer aus Blüten, das nicht mal im Winter vertrocknen konnte, weil Informationen wie Wassertropfen und Sonnenstrahlen waren.
Und gleich wenn man eine Weitere erwartete, schon mit Gießkanne bereit stand, um sie am Leben zu erhalten, fing sie an zu lachen.
Laut und klar, ohne Versteckspiel.
Die lachenden Wellen und das Blubbern der Fragen ließen Schmetterlinge zurück, die vor Nasen flatterten und sich manchmal hinsetzten, einen Moment der Ruhe erzeugten, wo das Lachen ernst wurde. Als müsste sie sich voll und ganz darauf konzentrieren, was zu sagen, was ehrlich und aufrecht war, damit die Blüten und Flügel nicht brachen. Damit ihre Worte direkt waren und kein Unkraut erzeugen konnten, dass sich nicht entfernen ließ, weil man nicht dort ankam, wo es herkam.
Und deshalb fuhren die Klänge dann wieder Karussell, vermischten sich mit ihrem Kopf, der sich nicht schämte und die Schmetterlinge flogen in Bögen, aus Freude, eine Seele gefunden zu haben, auf die sie sich setzen konnten.
Anna Leah Bolln